Warum diese Seite?

Als die Proteste gegen Stuttgart 21 Ende 2009 stärker wurden, habe ich mich intensiver mit dem Thema "Stuttgart 21" auseinandergesetzt, mittels diverser Medien: Zunächst die Lokalpresse, Websites von Befürwortern und Gegnern usw. Leider hatte ich das Gefühl, dass insbesondere Tageszeitungen eher oberflächlich berichten und oft nicht genügend in die Tiefe gehen. Inzwischen habe ich mit diversen Politikern, dem Projektbüro von Stuttgart 21, Ämtern und anderen Stellen kommuniziert und mir mein eigenes Bild über Stuttgart 21 gemacht. Ich möchte meine Erkenntnisse mittels dieser Seite teilen. Mehr über mich.

Freitag, 25. November 2011

Was uns OB Schuster in seinem Schreiben verschweigt

Mit einem hohen Anspruch leitet OB Schuster seinen Brief an die Bürger der Stadt zum Volksentscheid ein: "...Wie immer im Leben, gibt es auch bei diesem großen Projekt nicht nur schwarz und weiß. Vor- und Nachteile müssen abgewogen werden. Ich möchte Ihnen helfen, die richtige Entscheidung zu treffen..."

Was dann allerdings folgt, sind einseitige Argumente für das Projekt Stuttgart 21 unter Weglassung wichtiger Fakten, die gegen S21 sprechen.

OB Schuster schreibt unter anderem:

  • "Es ist meine Pflicht Ihnen zu sagen, dass wir als Bürger Schadensersatz in schwindelerregender Höhe, mehr als 1,5 Milliarde Euro, an die Deutsche Bahn zahlen müssen.", er verschweigt allerdings, dass, falls es wirklich zu Schadensersatzforderungen in dieser Höhe kommt, davon ca. 800 Mio. Euro von der Bahn an die Stadt Stuttgart gehen, da der Verkauf der Gleisflächen an die Stadt rückgängig gemacht wird. Die Stadt Stuttgart gewinnt dadurch erheblichen finanziellen Spielraum fast in Milliardenhöhe z.B. für soziale Projekte oder andere Stadtentwicklungsmaßnahmen.
  • "Unklar ist auch, wie während der über zehn Jahre dauernden Sanierungsarbeiten ein geregelter Bahnbetrieb möglich sein soll.", die zehn Jahre sind komplett in den Raum gestellt, eine Sanierung des bestehenden Bahnhofs kann laut Meinung vieler Experten auch in kürzerer Zeit durchgeführt werden. Allerdings hat sich schon seit letztem Sommer gezeigt, welche Behinderungen und Chaos im Bahn- und S-Bahnbetrieb durch die Stuttgart 21 Umbaumaßnahmen herrschen, damit ist bei Stuttgart 21 auf alle Fälle für weitere zehn Jahre zu rechnen.
  • "Die jetzigen Gleisanlagen verschwinden. Dadurch ergibt sich für uns die historische Chance, über 100 Hektar Fläche mitten in der Stuttgarter Innenstadt zum Leben, Wohnen, Arbeiten und Wohlfühlen zu erschließen.", er verschweigt aber, dass nach den 10 Jahren Dauerbaustelle für Stuttgart 21 die Stadt nochmals für ca. 20 Jahre zur Großbaustelle wird. Nämlich für die Erschließung und Bebauung der freiwerdenden Flächen, dies kann ja erst nach der Fertigstellung von S21 erfolgen. Eine schnellere Bebauung würde den Stuttgarter Immobilienmarkt in eine Chaos stürzen. Das sind zusammen mindestens 30 Jahre Baustelle, Lärm, Dreck, Verkehrsbehinderung, fast ein Berufsleben lang!   
  • "Die Stadt hat die Flächen zu einem Durchschnittspreis von 361 Euro pro Quadratmeter gekauft. Deshalb werden diese Wohnungen für uns Stuttgarterinnen und Stuttgarter auch bezahlbar sein.", er verschweigt aber, dass deutlich weniger als ein Drittel der Grundfläche für Wohnraum zur Verfügung stehen wird. Ein erheblicher Teil ist für die Parkerweiterung vorgesehen, dann müssen Verkehrsflächen berücksichtigt werden, öffentliche Einrichtungen (Schulen, Kindergärten etc.), damit erhöht sich der zu erzielende Quadratmeterpreis erheblich. Da hauptsächlich städtische Wohnbauten mit vier bis fünf Stockwerken geplant sind, droht außerdem eine Ghettoisierung mit sozialen Brennpunkten, wie sie sehr häufig bei am Reißbrett geplanten großen Wohnquartieren auftritt.
  • "Das Quartier Rosenstein wird gebaut,... Keine fossilen Energieträger. Keine schädliche Emissionen. Wir haben die Chance, das erste CO2-freie Stadtquartier Europas zu realisieren.", das setzt vorraus, dass sich Investoren finden, die dem Konzept folgen, auch wenn dies teurere und aufwändigere Bauweisen erfordert und damit die Renditen schmälert. Es bestehen Zweifel, ob Herr Schuster diese Vision umsetzen kann, denn OB Schuster verschweigt, dass er schon beim ersten kommerziellen Projekt auf dem neuen Gelände, dem Einkaufscenter von ECE am Mailänder Platz, eingeknickt ist und auf Betreiben des Investors hin, viel mehr Parkraum genehmigt hat, als eigentlich üblich sind. 
Diese Liste der halben Wahrheiten lässt sich ohne weiteres verlängern. Außerdem geht OB Schuster gar nicht auf die mit Stuttgart 21 verbundenen Risiken für die Mineralquellen, die Risiken durch die Geologie und die mangelnde Möglichkeiten für eine zukunftsweisende Kapazitätserweiterungen des Bahnhofs ein. Die unklare Finanzierungssituation im Falle einer weiteren Kostensteigerung wird völlig außer Acht gelassen.

Fazit:  Bei einer Erörterung in Klasse 8 hätte Herr Schuster das Thema verfehlt und eine Sechs verdient. Gut, er hat keine Rechtschreibfehler gemacht, geben wir ihm eine Fünf minus.

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